Die Westfälischen Nachrichten schrieb:

Behinderte Kinder erkunden Altenberger Landschaft

Jaki, Kilian und Sleipnir sind anders als ihre Artgenossen. Die drei Isländerpferde haben eine spezielle Ausbildung und mit Menschen zu tun, die auch etwas anders sind.

So, wie die querschnittsgelähmte elf Jahre alte Wiebke, die 13 Jahre alte Carina, die mit einem Down-Syndrom geboren ist, oder der sieben Jahre alte Frederik, der lernen muss, mit Sprachschwierigkeiten und einer Entwicklungsverzögerung umzugehen. Die drei Pferde stehen an diesem verregneten Freitag auf dem Hof von Andreas Trappe und warten auf ihren Einsatz. Querfeldein, über gut befestigte Wege soll es Richtung Speichercafe Dillmann gehen - und zurück. Reittherapeutin Anke Landskron hilft der elfjährigen Wiebke, über eine spezielle Rampe auf das Pferd zu kommen. Der Rollstuhl bleibt zurück. "Auf dem Pferd sieht niemand, das Wiebke querschnittsgelähmt ist", erklärt Winfried Damhuis vom Verein der Wegbereiter. Dort könne sie so sein, wie jedes andere Kind in ihrem Alter. Für Frederik gilt das ebenso. Sprechen muss er mit niemandem, wenn er auf Sleipnir durch die Altenberger Landschaft reitet. Und auch für Carina ist der Ausritt ein Highlight. Ihre Mutter weiß, dass sie anschließend wie ausgewechselt zu Hause auftritt. Nur, überall hinreiten können die drei Kinder nicht. Unerreichbare Sanitäranlagen, Stufen und andere Hindernisse würden einen ungeplanten Ausritt zum Abenteuer machen. Deshalb wollen die Wegbereiter im Rahmen der Regionale ein behindertengerechtes Reitwegenetz rund um Altenberge entstehen lassen. Die Chancen dafür sind hervorragend. Kreis und Land haben bisher nur positive Rückmeldungen gegeben. 25 Kilometer lang soll der erste Abschnitt werden, bei Stermann beginnen und an der Gaststätte "Zum neuen Herd" enden. Unter dem Strich sind 411 750 Euro für das Projekt veranschlagt. Landwirte, Gastronomen und Einzelhandel sollen anschließend ebenso davon profitieren wie die behinderten und nichtbehinderten Reiter. "Es scheitert ja manchmal an einem einfachen Anbindbalken", erklärt Anke Landskron. Sie führt Wiebke zu Beginn des Rittes. Nach einer knappen halben Stunde nimmt die Elfjährige dann die Zügel selbst in die Hand. "Die Stärkung des Selbstbewusstseins ist den Kindern dabei förmlich anzusehen", weiß Winfried Damhuis. Das die Wegbereiter mit ihrer Idee nicht auf taube Ohren stoßen, merken sie auch bei Maria Dillmann. Ihr Sohn hat vor dem Speichercafe schon einen Anbindbalken installiert. "Die Toiletten werden behindertengerecht gestaltet", verspricht sie ihren Gästen, die sich bei Kakao aufwärmen. Noch muss Wiebkes Mutter mit dem Auto einen Rollstuhl dorthin bringen, damit die Elfjährige eine Pause einlegen kann. Aber auch über so etwas könne man nachdenken, erklärt die Chefin. Die drei Kinder sind derweil in ihre eigene Welt eingetaucht. Viel reden müssen sie nicht, wollen sie auch nicht. Sie genießen lieber den Rückweg auf dem Pferderücken und sind ausgiebig mit den Vierbeinern beschäftigt. Anke Landskron, Winfried Damhuis und Kirsten Tenhagen, die die drei begleiten, haben leichtes Spiel. Die kleinen Reiter sind schon ziemlich erfahren im
Umgang mit den Tieren. Einmal in der Woche kommen sie, haben großen Spaß und es tut ihnen gut. Das Gleichgewicht wird gefördert, die Konzentrationsfähigkeit nimmt zu, die Wahrnehmung wird erhöht und viele andere Dinge, die im täglichen Leben zu kurz kommen, können auf diese Weise trainiert und verbessert werden, erklärt Anke Landskron. Sie und ihre Mitstreiter hoffen, dass mit dem neuen Reitweg auch touristisches Gebiet erschlossen wird. Damit das klappt, ist ein professionelles Marketingkonzept geplant. Die "Münsterlandtouristik" wird bei der Vermarktung mit einsteigen. Und dann werden vielleicht noch mehr Kinder wie Wiebke, Carina und Frederik in den Genuss kommen, einen Tag auf dem Pferderücken zu verbringen. Das bringt ihnen sicher mehr, als jeder Arztbesuch.

Zurück zur Übersicht